Kreislaufwirtschaft: Chancen für zukunftsfähige Geschäftsmodelle

Die Kreislaufwirtschaft ist ein systemischer Lösungsrahmen zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt, Abfall und Umweltverschmutzung. Für bestehende Unternehmen ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ein komplexer Prozess. Im Gegensatz zu Start-ups oder Neugründungen verfügen sie über ein bestehendes Geschäftsmodell und bewährte Produkte. Im Rahmen von Innovations- und Strategieworkshops begleiten wir Sie in Ihrem Transformationsprozess. Dabei gilt es, in jeder der fünf Transformationsphasen jede Ebene für sich und in Wechselwirkung mit den anderen zu betrachten, wesentliche Fragen zu beantworten und daraus die entsprechende Neupositionierung inklusive Prozesse umzusetzen.

Von der Linear- zur Kreislaufwirtschaft

Der Begriff Kreislaufwirtschaft wurde erstmals 1988 von dem amerikanischen Ökonomen Allan Kneese verwendet. Seitdem hat er sich zu einem der meistdiskutierten Begriffe in der Wirtschaft entwickelt und umfasst Themen wie Recycling, Abfallvermeidung, Innovationsförderung sowie die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze. Untersuchungen des Weltwirtschaftsforums zeigen, dass die Kreislaufwirtschaft ein wirtschaftliches Potenzial von 4,5 Billionen Dollar bietet (Quelle: WEF Januar, 2023).

Das Ziel der Kreislaufwirtschaft ist es, Ressourcen effizienter zu nutzen, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern, Stoff- und Energieströme zu schließen und dadurch die Erzeugung von Abfall und Emissionen zu minimieren. Das ist ein Paradigmenwechsel im Vergleich zur Linearwirtschaft, wie sie seit der industriellen Revolution vorherrscht. Diese basiert auf der Nutzung von Primärrohstoffen für die Herstellung von Gütern. Diese werden produziert, verkauft und genutzt, bevor sie am Ende ihrer Nutzungsdauer zu Abfall werden.

Ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft ist die Recyclingwirtschaft. Dabei wird die Nutzungsphase von Ressourcen verlängert, indem die Rohstoffe am Ende der Nutzungsdauer wiederverwendet werden. Das ist ein wichtiger Ansatz, um Ressourcen zu schonen und Abfall zu reduzieren.

Der entscheidende Impact der Kreislaufwirtschaft

  • Die Eliminierung von Abfall und Emissionen: Produkte müssen zukünftig so gestaltet werden, dass sie über ihren gesamten Lebenszyklus keine Emissionen verursachen und am Ende ihrer Lebensdauer nicht als Müll enden. Dafür ist ein Umdenken in der Produktentwicklung nötig, um Abfall als Fehler zu betrachten und Verschwendung zu bekämpfen. Das Ziel ist es, ein Ressourcenmanagement zu etablieren, das die Werterhaltung von Rohstoffen betont und Produkte und Systeme schafft, die frei von Abfall sind.
  • Die Zirkulation von Produkten und Materialien mit möglichst großem Werterhalt: Der Fokus liegt darauf, Materialien in Gebrauch zu halten, sei es als Produkte, Komponenten oder Rohstoffe, um den Anteil an zirkulären Ressourcen zu erhöhen. Dies wird durch langfristig haltbare Produkte, Verlängerung der Produktnutzungsdauer und Rückführung von Produkten und Materialien als Ausgangsrohstoffe für neue Fabrikate angestrebt, um den Rohstoffverbrauch pro Produkt zu reduzieren.
  • Die Regeneration der Natur: Ziel ist die Regeneration der Natur durch die Abkehr von der „Take-Make-Waste“-Wirtschaft, die sichere Rückführung von natürlichen Nährstoffen und die Nutzung erneuerbarer Energien, um die Umwelt zu entlasten, die Biodiversität zu erhöhen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Ein sehr gutes Beispiel, wie Kreislaufwirtschaft gelingen kann, ist der Möbelhersteller Vitra. Damit die Produkte von Vitra möglichst lange im Umlauf bleiben, sind sie so konzipiert, dass sie leicht wiederverwendet werden können. Reparaturen, Rücknahmeprogramme und Garantieverlängerungen tragen dazu bei. In den Vitra Circle Stores werden gebrauchte Vitra Produkte zurückgekauft, restauriert und wieder in Betrieb genommen. Vitra begleitet und betreut jedes Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus, um eine möglichst lange Nutzung zu gewährleisten und Recycling und Entsorgung zu erleichtern.

Welche Potentiale bietet die Implementierung der Kreislaufwirtschaft den Unternehmen?

Die ökologischen Vorteile der Kreislaufwirtschaft liegen auf der Hand. Die wirtschaftlichen und sozialen Potenziale sind mindestens ebenso überzeugend und für Unternehmen in einer zunehmend volatilen Weltwirtschaft mit sich verändernden Märkten überlebenswichtig.

  • Ausgelagertes Rohstofflager: Die Rückgewinnung von Rohstoffen aus recycelten Produkten reduziert das Risiko volatiler Rohstoffpreise und geopolitischer Störungen der Lieferketten. Die Liveo Research GmbH hat in neue Extruderkapazitäten für PET- und Polyolefinfolien investiert und trägt damit dem Wechsel von PVC- zu Polyesterfolien und der starken Nachfrage nach nachhaltigen Folien Rechnung.
  • Neue Geschäftsmodelle: Die Einführung einer Kreislaufwirtschaft ermöglicht es Unternehmen, neue Märkte und Zielgruppen und damit zusätzliche Umsatzquellen zu erschließen. Geschäftsmodelle wie z. B. „Product-as-a-Service“ sorgen für wiederkehrende Erlöse. Beispiel Bosch Blue Movement® und das Prinzip der gemieteten Waschmaschinen.
  • Gestärkte Kundenbindung: Durch eben diese neuen Geschäftsmodelle wie „Product-as-a- Service“ entsteht intensivere Kundenbindung aufgrund wiederkehrender Interaktion und langfristiger Vertragsabsicherung. Neue Touchpoints entlang des Lebenszyklus eröffnen zudem neue Möglichkeiten zur Wertgenerierung, wie z. B. Reparatur, etc. Beispiel kostenloser Reparaturservice von Patagonia “If it’s broke we fix it”.
  • Höhere Margen und wiederkehrende Umsätze: Durch Kombination neuer Geschäftsmodelle mit Investitionen in kreislauffähiges Design können Kosten reduziert und so die Margen gesteigert werden. Beispiel Rügenwalder Mühle, das Unternehmen erzielt heute mehr Umsatz mit Veggie als mit Wurst & Co.
  • Zusätzliche Arbeitsplätze: Bis zu 3 Millionen Arbeitsplätze können in der EU neu entstehen, schätzt der UK Waste & Resources Action Plan (WRAP). Primär werden diese in den Bereichen Reparatur, Wiederherstellung, Recycling oder Abfallmanagement entstehen inklusive völlig neuer Berufsgruppen.

Um zu einer echten Kreislaufwirtschaft überzugehen, müssen mehrere beteiligte Parteien zusammenarbeiten. Der Textilhersteller Lenzing stellt nur einen Teil der Wertschöpfungskette von Textilien und Vliesstoffen dar und fördert die Kooperation mit Partnern aus der gesamten Kette. Partnerschaften und Projekte wie diese helfen Lenzing dabei, den systemischen Wandel zu fördern und zu beschleunigen. Der Faserspezialist Lenzing und der schwedische Forstkonzern Södra bündeln ihre Kräfte im Textil-Recycling und leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft in der Modebranche. Im Rahmen der Kooperation beabsichtigen die Unternehmen, ihr Wissen miteinander zu teilen und gemeinsam Verfahren zu entwickeln, um eine breitere Nutzung von cellulosehaltigen Alttextilien in großtechnischem Maßstab zu ermöglichen. Der gemeinsam weiterentwickelte Zellstoff OnceMore® wird anschließend unter anderem als Rohmaterial für die Produktion von Lenzings Spezialfasern der Marke TENCEL™ mit REFIBRA™ Technologie mitverwendet. 

Was hindert Unternehmen auf dem Weg zum kreislauffähigen Geschäftsmodell?

Trotz der zahlreichen Chancen halten viele Unternehmen an ihren linearwirtschaftlichen Geschäftsmodellen fest. Eine repräsentative Studie im Auftrag des Bundesamts für Umwelt und Circular Economy ermittelte die wichtigsten Hindernisse.

  • Nicht geeignete Produkte: Die größte Herausforderung für Unternehmen bei der Implementierung von kreislaufwirtschaftlichen Aktivitäten ist die wahrgenommene mangelnde Eignung ihrer Produkte und Dienstleistungen. Es handelt sich jedoch nicht um einen Mangel an organisatorischem Wissen zur Implementierung. Stattdessen geht es darum, dieses Wissen auf das eigene Unternehmen und dessen Produkte und Dienstleistungen anzuwenden. Unternehmen haben oft Schwierigkeiten, das Potenzial der Kreislaufwirtschaft für ihre Angebote zu erkennen und, wenn erkannt, dieses zu nutzen. Diese Schwierigkeit wird als „technological path dependence“ bezeichnet, wobei es den Unternehmen schwerfällt, auf den neuen zirkulären Pfad zu wechseln.
  • Investitionskosten: Die Höhe der Investitionskosten für die Produktentwicklung, die Umrüstung von Maschinen, den Neuaufbau von Produktionsprozessen und Kompetenzen sowie die Umschulung im eigenen Betrieb lässt mehr als ein Viertel der Unternehmen vor der Transformation zurückschrecken.
  • Technische Umsetzung: Fast ebenso bedeutend wie die Investitionskosten sind technische Implementierungsherausforderungen. Unternehmen, die bereits höhere Intensitäten in der Kreislaufwirtschaft erreicht haben, stoßen häufiger auf diese Schwierigkeiten, was darauf hinweist, dass einfache Lösungen (“low-hanging fruits”) bereits ergriffen wurden und nun technisch anspruchsvollere Lösungen erforderlich sind.

Diese Ergebnisse unterstreichen die Komplexität der Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Es ist nicht nur eine technische oder finanzielle Herausforderung, sondern auch eine organisatorische und kulturelle. Das Problem ist das Feststecken in technologischen Routinen ohne den Mut oder das Wissen, um neue Wege zu beschreiten und die mangelnde Fähigkeit, das vorhandene Wissen effektiv zu nutzen und neu auszurichten.

Die fünf Phasen der Transformation

Für bestehende Unternehmen ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ein komplexer Prozess. Anders als Start-ups oder Neugründungen haben sie ein bestehendes Geschäftsmodell und bewährte Produkte. Der Prozess der Transformation erfordert Geduld und Durchhaltevermögen. Dabei gilt es, in jeder der fünf Phasen der Transformation jede Ebene für sich und in Wechselwirkung mit den anderen zu betrachten und wesentliche Fragestellungen zu beantworten.

  • Integrierte Strategie: Auf der Strategieebene muss das Transformationsvorhaben ganzheitlich betrachtet werden. Es ist von zentraler Bedeutung, die Kreislaufwirtschaft fest in der Unternehmensstrategie zu verankern, um ein dauerhaft nachhaltiges Handeln zu gewährleisten.
  • Novellierte Geschäftsmodelle: Für eine erfolgreiche zirkuläre Wirtschaft ist es unerlässlich, Geschäftsmodelle zu entwicklen, die den Wert von kreislauffähigem Design wiederspiegeln. Dies umfasst den Verkauf von wiederaufbereiteten Produkten, die Wiederverwertung von Materialien und das Anbieten zirkulärer Dienstleistungen, um langfristige Profitabilität zu gewährleisten.
  • Ökosystem: Im Kontext der Kreislaufwirtschaft wird die Einbindung in erweiterte Geschäftsökosysteme unerlässlich, denn Einzelakteure können die Komplexität allein nicht bewältigen. Im Vergleich zur linearen Wirtschaft erleben wir eine Verschiebung der Wertschöpfung. Eine enge Zusammenarbeit mit Partnern, sei es Lieferanten, Materialherstellern, Reparatur- und Recyclingunternehmen oder Kunden wird essentiell wichtig.
  • Prozesse: Um die Kreislaufwirtschaft erfolgreich umzusetzen, müssen interne und auch branchenübergreifende Prozesse überdacht und optimiert werden. Das Ziel ist die Standardisierung von Methoden zur Entwicklung kreislauffähiger Produkte und Geschäftsmodelle, so dass Kosten reduziert und so die Margen gesteigert werden.
  • Produkte: Das Verständnis für die Umweltauswirkungen bestehender Produkte ist die Basis dafür, diese entsprechend kreislauffähig zu verbessern, um so neue und längere direkte Touchpoints mit Kundinnen und Kunden zu schaffen. So können Produkte und Dienstleistungen stetig auf die veränderten Bedürfnisse und Herausforderungen angepasst werden.

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